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Aller Anfang war schwer ...




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Aller Anfang war schwer ...

Beitragvon compuexe » Mo 18. Jan 2010, 01:04

Ich habe vor einigen Jahren an einem Freitag einen Beitrag für meine damalige Kolumne auf Compadre.de gesucht. Und weil mir nichts journalistisches einfiel, schrieb ich einfach eine Begebenheit vom gleichen Nachmittag. Ich nannte ihn "Die Ameise"
Kurz darauf bekam ich eine Mail von einer Autorin, die selbst schon mehrere Bücher veröffentlicht hat.
Sie fand meine Geschichte köstlich, wollte wissen, was ich bisher veröffentlicht habe und wo man es beziehen könne. Ich war baff, hatte ich doch nie daran gedacht, literarisch zu schreiben.
Sie war damals der Anstoß dafür und wie es endet, wissen die Götter.
Hier ist die Geschichte in der Urfassung:

Die Ameise

„Haben sie das gesehen? Die wollen uns den Strom abstellen!“
Meine Nachbarin hält mir entrüstet einen bedruckten Zettel vor das Gesicht.

Wegen dringender Reparaturarbeiten muss in ihrem Haus der Strom von
14.7. 13.00 Uhr
bis
14.7. 14.00 Uhr abgestellt werden.

Wir bitten um Ihr Verständnis.

Stadtwerke Weinheim

Ich sehe auf die Uhr: 12.57 Uhr. Das wird knapp.
Ich mich also schnell von meiner Nachbarin verabschiedet und zurück in meine Wohnung, um den PC runter zu fahren.
Danach rufe ich noch kurz meine Frau an, weil sie die Angewohnheit hat, sich nachmittags mal nach meinem Befinden zu erkundigen, da wird auch schon unser Telefongespräch jäh unterbrochen. Der Fernseher geht aus, ein radelnder Jan Ulrich verschwindet ganz plötzlich vom Bildschirm, der Ventilator stellt seine Arbeit ein. Recht schnell wird mir langweilig ohne die Segnungen der Technik. Aber was tun in dieser einen Stunde? Kurzentschlossen ziehe ich mir ein T-Shirt an, nehme meine Wohnungsschlüssel und beschließe, ein wenig spazieren zu gehen.
Raus aus der Wohnung, rechts ab Richtung Krankenhaus, über die Überführung, dann nach links Richtung Autobahn, über den Autobahnzubringer und schon tun mir sämtliche Muskeln in meinem ungeübten Körper weh.
Mein Gott, wann bin ich das letzte Mal länger als 10 Minuten an einem Stück gelaufen? Im letzten Jahrtausend?
Einige Minuten später im freien Feld, es ist fast völlig still um mich herum, werden meine Waden hart und schmerzen. Ich atme schwer und schleppe mich mehr vorwärts, als zu gehen.

Nach einer knappen Viertelstunde sehe ich am Wegrand einen riesigen Nussbaum, vor dem ein großer Holzstapel liegt.
Ächzend lass ich mich, völlig erschöpft und keuchend wie eine alte Dampflok, auf dem Stapel nieder.
Man kann diese wohlige Gefühl gar nicht beschreiben, es ist einfach herrlich. Nur langsam jetzt, der Strom fließt noch nicht wieder in meiner Wohnung.
Mein Atem beruhigt sich langsam, die Waden schmerzen nicht mehr so stark, langsam fange ich an, die Natur rund um mich herum, aufzunehmen. Das geht am besten im Sitzen, wie ich finde. Würde ich mich durch die Natur bewegen, würde ich womöglich alles Sehenswerte verscheuchen.
Belustigst sehe ich zwei Hasen zu, die ein paar Meter weiter auf dem Weg miteinander kämpfen und, beobachte eine Lerche, die tirilierend immer höher in den Himmel fliegt. Vom Holzstapel, auf dem ist sitze, breche ich einen langen Zweig ab und stochere damit planlos auf dem Boden zwischen den trockenen Stämmen und der abgeblätterten Rinde herum.

Plötzlich verirrt sich eine kleine Ameise auf meinen Zweig. Interessiert heb ich sie hoch zu meinem Gesicht, um dieses fleißige kleine Wesen aus der Nähe zu beobachten. Allem Anschein nach hat sie jedoch etwas dagegen, beobachtet zu werden, denn egal wie ich den Zweig drehe, immer wieder krabbelt sie auf die dahinter liegende Seite.
Sie verweigert sich mir einfach, sie vereitelt meinen Versuch, sie genauer zu betrachten. Ich drehe, sie flüchtet auf die andere Seite, wieder drehe ich, wieder flüchtet sie. Heb ich den Stock hochkant, versteckt sie sich hinter ihm.
Nach etwa fünf Minuten verliere ich doch die Lust.
Als sie den Zweig zum wiederholten Male von links nach rechts und zurück überquert hat, hab ich endlich Mitleid mit ihr und lege den Stock ganz sacht wieder auf den Boden.
Sie macht zwei, drei vorsichtige, fast könnte man meinen, abschätzende Schritte, ein bitterböser Blick trifft mich über ihre linke Schulter und schon ist sie im unübersehbaren Dschungel, in ihrem grünen Mikrokosmos verschwunden. Ich verliere sie in dem Dickicht ganz schnell aus den Augen.

Aber glaubt es mir, oder glaubt es mir nicht, ich hab sie noch eine ganze Weile ziemlich böse schimpfen hören.
Das Böse triumphiert allein dadurch, dass gute Menschen nichts unternehmen.
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von Anzeige » Mo 18. Jan 2010, 01:04

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Re: Aller Anfang war schwer ...

Beitragvon Philipp » Do 21. Jan 2010, 13:44

Köstlich!!! :D
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Re: Aller Anfang war schwer ...

Beitragvon compuexe » Do 21. Jan 2010, 21:17

Danke! :mrgreen:
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