Es ist übrigens Juni ...
von compuexe » Do 4. Jun 2009, 20:37
5.6.2009
Heute Nachmittag der Anruf:
"Kannst du mich zur Hebamme fahren, heute Abend? Ich muss um 17:30 Uhr dort sein."
Naja, ich will ja endlich Opa werden, also was soll ich sagen?
"Ja, klar. Ich hol dich um 17:15 Uhr ab, okay?"
"Dauert auch nur ne halbe Stunde."
Ach ja ...
Um 17:15 Uhr war ich dann bei ihr, hab sie eingeladen, bei der Hebammenpraxis abgesetzt und bin gegenüber zu Aldi, um die halbe Stunde zu überbrücken, bis ich sie wieder nach Hause fahren darf.
Nach 28 Minuten war ich in der Hebammenpraxis. Ich setzte mich in den Vorraum auf einen Korbstuhl und warte.
Nach etwa fünf Minuten öffnet sich die Tür, ich bin schon am Aufstehen, doch es ist nur die Hebamme. Sie nickt mir lächelnd zu.
"Kommt gleich, jede Minute", sagt sie und verschwindet gegenüber in dem Zimmer, in denen sie Gruppen von Schwangeren betreut.
Zehn Minuten später das umgekehrte Spiel. Sie kommt von der Gruppe und verschwindet links im Behandlungsraum. Natürlich lächelt sie mir zu wie einem werdenden Vater. So ein:
"Wird-schon-werden- kann-sich-nur-noch-um-Sekunden-handeln-Lächeln."
Dann kommt ein kleiner Junge von rechts, also von da, wo die Schwangeren in der Gruppe hecheln und setzt sich mir gegenüber auf die Bank.
Die Hebamme kommt raus und guckt den kleinen Jungen etwa so an, wie sie mich vorhin ansah. Mich lächelt sie gütig an und nickt.
Dabei bin ich sicher, keine Frage gestellt zu haben. Sie geht nach rechts und verschwindet im Raum, in dem man werdende Mütter heftig hecheln hört.
Der Kleine wird unruhig. Er ist offenbar Türke, sein mehrfaches: "Aaaaneeeee?" nervt gewaltig. Dann entdeckt er den Eimer mit den Spielsachen. Er holt ein Auto, einen Bagger und eine Art Schippe heraus, und wift es auf den Boden.
Die Hebamme kommt von rechts, lächelt und verschwindet links. Der Kleine hockt sich neben mich auf einen Korbstuhl und redet türkisch mit mir.
Muss aber ein Dialekt sein, ich versteh nämlich kein Wort und zucke darum nur mit den Schultern.
Die Hebamme kommt von links, verschwindet rechts. Mit gütigem Lächeln.
Ich schließe die Augen, als ich sehe wie der Kleine ein Stuhlkissen auf den Boden wirft und versucht, darauf Schlittschuh zu laufen.
'Konzentrier dich', denke ich, 'denk an nichts, du bist ganz allein ...'
Ein lauter Knall und ein "Aaaaneeeee!" lässt mich aufschrecken.
Der Knirps, der zum Erdbeerpflücken eine Leiter braucht, hat den Massivholzparavant umgeworfen, einen halben Meter neben mir.
Sein Vater kommt und holt ihn, nicht ohne mir einen bösen Blick zuzuwerfen.
"Hallo?", denke ich bei mir, "ich war das doch nicht."
Die Hebamme kommt von rechts, verschwindet links, lächelnd.
Schwiegertochter kommt raus, nach etwas mehr als einer dreiviertel Stunde.
Ich erhebe mich.
"Muss nur noch kurz Pipi, komm gleich wieder."
Sie verschwindet in der Toilette, die Hebamme kommt von links, verschwindet rechts. Sie lächelt gütig und nickt. Diesmal nur einmal.
Als wir im Auto sitzen dann:
"Ich brauche Eisenkraut. Und Ingwer!"
"Wozu?"
"Um mir einen Tee zu machen, der die Wehen einleitet."
Wir fahren zur Apotheke im Familacenter. Ich lass sie am Eingang raus.
"Bin gleich zurück."
Ich suche einen Parkplatz, geh dann auch ins Center, hole mir eine Tiefkühlpizza, Backcamembert, beim Metzger etwas Fleischwurst, beim Dönerladen nehm ich mir dicke eingelegte Bohnen mit, setz mich ins Auto und warte.
Nach etwa zehn Minuten bekomme ich Hunger und brech mir ein Stück der Fleischwurst ab.
Ich hab es kaum angebissen, da kommt sie auch schon zurück, schnaubend.
"Ich musste in der Apotheke etwas länger warten."
Ein Blick auf die Uhr, es ist 19:45 Uhr.
Sie schaut mich an.
"Wenn meine Hebamme mich nochmal anuft, kann es sein, dass ich gegen 21:00 Uhr nochmal zu ihr muss." Sie sagt es sanft, mitleidig, irgendwie.
Draußen läuft gebückt eine alte Frau vorbei. Von links nach rechts. Sie nickt und lächelt gütig ...
Das Böse triumphiert allein dadurch, dass gute Menschen nichts unternehmen.
Edmund Burke